Donnerstag, 20. Januar 2011

Reinaldo und Kuba

Reinaldo Arenas sieht sich als Opfer der Revolution. Ihm hat die Revolution in Kuba keine Verbesserung seiner Lebensumstände gebracht, im Gegenteil, er war eingekerkert, wurde gefoltert, verfolgt und zensiert. Sein Leben wurde ihm geraubt. Castros Kuba war für ihn die Hölle, obwohl er die Revolution an sich gut fand und unterstützte. Und er ist nicht der einzige Leidtragende.
Natürlich trauert er nicht den Großgrundbesitzern nach, die im Zug der Revolution alles verloren haben. Er hat auch keine Probleme damit, dass die Schergen des Diktators gejagt, gefangen und exekutiert wurden. Allerdings begreift er nicht, warum sein Großvater seinen kleinen Gemüseladen im Dorf schließen musste.
Es wurden offenbar viele ohne fairen Prozess hingerichtet, obwohl sie unschuldig waren. Sie wurden  beschuldigt, weil sich jemand an ihnen rächen wollte, weil sie persönliche Feinde hatten. Faire Prozesse gab es nicht. Und ohne faire Prozesse gibt es kein Recht, keine Gerechtigkeit.
Gut, man könnte das entschuldigen, nach dem Motto, wo gehobelt wird, fallen Späne. Es scheinen in den ersten Monaten der kubanischen Revolution ähnliche Lynchmobs für den Tod Unschuldiger verantwortlich zu sein, wie in China zur Zeit der Kulturrevolution. Zumindest legen die Schilderungen von Reinaldo diesen Vergleich nahe, auch wenn er den Vergleich selbst so nicht zieht. Und es wäre auch kein guter Vergleich, wenn man die Zahl der Opfer sieht, die während der Kulturrevolution sicherlich deutlich höher waren.
Aber die systematische, und über dreißig Jahre stattfindende Verfolgung Homosexueller, ist nicht mehr mit dem Chaos, welches in den Momenten des Umbruchs herrschte, zu erklären.
Es ist eben kein Zufall, dass es bisher in jedem kommunistischen Land diese systematische Verfolgung Homosexueller gab: in der UdSSR, in der DDR, in China. Immer waren Schwule automatisch als konterrevolutionär eingestuft. Diese pauschale Beurteilung ist natürlich sachlich gesehen unhaltbar.
Wieso sollte jemand nicht für die Entmachtung von Großgrundbesitzern sein, nur weil er als Mann Männer liebt? Warum kann ein schwuler Mann nicht für die Befreiung der unterdrückten Massen sein? Wieso sind kommunistische Herrscher und Systeme reflexartig gegen gleichgeschlechtliche Liebe? Warum gehört im Kommunismus zur Befreiung der Massen vom Joch, nicht auch die Befreiung von sexuellen (im Grunde christlichen) Normvorstellungen? Wovor fürchtet sich ein kommunistisches Regime? Welches Menschenbild versteckt sich im Mäntelchen der kommunistischen Befreiung?

Fidel gab nun ein Interview, in dem er erklärt, es habe in Kuba wichtigeres gegeben, als sich um die Belange der Homosexuellen zu kümmern. Mit anderen Worten: er hatte keine Zeit gehabt, über das Thema nachzudenken. Aber warum muss man lange darüber nachdenken? Was geht es den Staat an, mit wem man ins Bett geht? Welchen Machtanspruch maßt sich eine Regierung an, wenn sie sich in solche privaten und zutiefst persönlichen Belange einzumischen wagt? Muss man lange darüber philosophieren, um diese Fragen zu beantworten? Es zeigt sich an solchem Thema, dass der Kommunismus als Ideologie ein zweifelhaftes Verhältnis zu den individuellen Menschenrechten hat. Überhaupt interessiert sich der Kommunismus sehr wenig für das Individuum an sich. Das Individuum ist im Kommunismus vor allem ein Teil einer Masse. Und es geht nur um die Belange der Masse. Aber wie soll ein Individuum in einer Masse glücklich sein und werden, wenn seine Bedürfnisse keine Rolle spielen?

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