Donnerstag, 20. Januar 2011

Fidel und Kuba

Ich informiere mich gerne umfassend. Neben Arenas' autobiographischem Roman über sein Leben in Kuba, lese ich zur Zeit parallel 'Castros Revolution - Der Weg Kubas seit 1959' von Walter Hanf. Der Autor war mehr als fünfundzwanzig Jahre als Journalist in Lateinamerika unterwegs und hielt sich drei Mal in Kuba auf (1965, 1986, 1988). Im Vorwort betont er, dass er für die Sender und Magazine, für die er Artikel schrieb, immer seine persönliche Meinung außen vor lassen musste. Objektivität und Sachlichkeit wurde von ihm verlangt. Aber, das wird bei der Lektüre seines Buches klar, er hegt viel Sympathie für Castros kubanischem Weg, auch wenn er Missstände beim Namen nennt. Insofern ist solch ein Buch als Begleitlektüre zu Arenas' Roman sinnvoll. Denn Reinaldo lässt kaum ein gutes Haar an den Lebensumständen in Kuba, zu groß ist die Verletzung, die er dort erfahren musste. Von Reinaldo Objektivität im Umgang mit Kuba zu erwarten, ist Unsinn.

Hanf kennt die Lebensumstände der Armen in allen lateinamerikanischen Ländern aus eigener Erfahrung. Das Elend der Besitz- und Rechtlosen dort ist ihm vertraut. Darum kann er Kuba auch gut beurteilen. Denn es würde wenig Sinn machen Kuba mit Deutschland zu vergleichen. In einem einfachen Satz zusammengefasst: Es gibt dieses himmelschreiende Elend in Kuba nicht, welches man in den Slums der anderen lateinamerikanischen Staaten vorfindet! Der soziale Sektor in der kubanischen Gesellschaft ist hervorragend entwickelt und er setzt Maßstäbe für Lateinamerika. Nirgendwo sonst in der Region gibt es eine so gute Gesundheitsversorgung, die sich teilweise mit westeuropäischen Ländern vergleichen lässt. Kindergärten, Schulen und Universitäten gewährleisten ein konkurrenzloses Bildungsniveau. Ein dichtes Netz von Landärzten, Kreis- und Regionalkrankenhäusern bis hin zu exzellent ausgestatteten Spezialkliniken, bieten den Kubanern einen kostenlosen Zugang zu Gesundheitsberatung und Behandlung. Eine Quote ermöglicht es mittellosen Einwohnern aus anderen lateinamerikanischen Ländern diese Infrastruktur kostenlos zu nutzen. Tausende kubanische Ärzte helfen im Ausland Einwohnern unterentwickelter Länder. Insofern gebührt Fidels Errungenschaften eine weltweite Anerkennung, die ihm leider aus Gründen der westlichen Propaganda verwehrt bleibt. Aber die Geschichte wird über ihn ein besseres Urteil fällen, zumindest was dieses Thema angeht.

Ansonsten herrscht in Kuba eine typisch kommunistische Mangelwirtschaft. D.h. die Grundversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln (auf Bezugsschein) und den nötigsten Dingen des täglichen Bedarfs ist gewährleistet. Aber westlichen Überfluss gibt es natürlich nicht. Und, ehrlich gesagt, warum auch?
In unserer Welt werden täglich neue Bedürfnisse erfunden und mit medialer Gehirnwäsche implantiert.Wozu dieser Konsumterror und der Überfluss an Konsumgütern führt, kann man ja bei uns klar erkennen: Raubbau und Umweltzerstörung um diese im Grunde überflüssigen Produkte herzustellen und zu vertreiben (alleine für Plastiktüten verbrauchen wir täglich tonnenweise Erdöl!). Und neben den Umweltschäden zeigt unsere irre gewordene Konsumgesellschaft auch andere Schäden: Eltern lassen ihre Kinder verwahrlosen, von Hartz-4 kaufen sie sich Alkohol und einen Großbildfernseher und schicken ihre Kinder ungefrühstückt zur Schule, oder auch nicht. Gut, das sind Ausnahmen und soll natürlich auf keinen Fall Hartz-4 Empfänger pauschal verunglimpfen, aber es mehren sich bei uns doch alle möglichen sozialen Missstände, die wohl Auswüchse unserer hohlen Konsumwelt sind.
Man wird in Kuba z.B. keine Jugendlichen finden, die schon am Anfang ihres Lebens in eine Schuldenfalle (Handykosten, Dispo) geraten sind, und nun die nächsten Jahre ihres Erwerbslebens (falls sie eine Ausbildung und anschließend einen Arbeitsplatz finden!) erst mal ihre Schulden abtragen dürfen. Ihnen werden keine wertlosen Riesterrenten-Verträge aufgeschwatzt, die nur den Banken nützen. Sie werden nicht als Verbraucher und Konsument gesehen, behandelt und erzogen, sie werden nicht die Hälfte ihres Nettoeinkommens für die Miete einer Wohnung abdrücken, sie werden nicht 200.000 Werbespots gesehen haben, wie hier üblich, usw, usf.

Es ist also nicht alles schlecht in Kuba, wie die westliche Propaganda es uns glauben machen möchte. Es gibt erstaunlich positive Errungenschaften. Aber es ist eben auch nicht das Paradies, wie die Propaganda der anderen Seite uns glauben machen will. Es fehlt an individueller Freiheit. Und das wiegt für Menschen aus der westlichen Welt sehr viel, denn wir sind es gewohnt, ja, es gehört hier zu einer zivilisatorischen Errungenschaft, sich zu individualisieren. Dort, in Kuba, ist also gewiss nicht alles schlecht. Und hier ist gewiss nicht alles gut.

"It seems that you can't get - anymore than half-free..." singt Bruce Springsteen in seinem Song 'Straight Time'.

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